VOR-Schule in der Gemeinschaftsunterkunft Ehra-Lessien - ein Rückblick auf das erste Projektjahr

veröffentlicht: am 01.02.2023     Presseinformation

Kinder geflüchteter Familien haben es nicht leicht mit dem Schulbesuch in Deutschland. Sie steigen im laufenden Schuljahr in die Schule ein, ohne nennenswerte Deutschkenntnisse und ohne zuvor auf das deutsche Schulsystem vorbereitet worden zu sein. Erschwerend hinzu kommt, dass insbesondere in ländlichen Grundschulen meist ausreichende Kapazitäten fehlen, um diese Kinder adäquat beschulen zu können.

Als Folge dessen werden die Kinder zu wenig unterstützt und können im Unterricht nicht mitkommen. Landrat Heilmann erklärt: „Die Integration zugewanderter Menschen, insbesondere geflüchteter Kinder, ist dem Landkreis Gifhorn ein wichtiges Anliegen. Je früher die schulische Förderung erfolgt, desto einfacher haben es die Kinder in der Zukunft und können sich in unsere gesellschaftlichen Strukturen einfinden. Genau dort setzt das Projekt VOR-Schule an. Es unterstützt von Anfang an die Kinder beim Beschreiten ihrer eigenen Bildungswege und hilft ihnen zunächst, sich in Deutschland besser zurecht zu finden und damit in ihren Fähigkeiten für die Zukunft zu entfalten."

Als Baustein dafür bietet die Stabsstelle Integration des Landkreises Gifhorn, gemeinsam mit der Kreisvolkshochschule Gifhorn (KVHS), seit Dezember 2021 das Projekt „VOR-Schule“ in der Gemeinschaftsunterkunft Ehra-Lessien an, durchgehend auch in den Ferien. Ziel der VOR-Schule ist es, die Kinder auf den Alltag in der Grundschule vorbereiten. Sie erfahren von den Regeln und bekommen in 20 Stunden pro Woche durch die geschulten Lehrkräfte der KVHS Deutschunterricht, lernen Rechnen und etwas Sachkunde. „Gerade erst im neuen Land angekommen – das Vergangene, häufig mit vielen Schrecken, für die Kinder noch ganz nah – ist eine sensible und ressourcenorientierte Hinführung zum deutschen Schulbesuch für alle Beteiligten eine große Hilfe“, erklärt Josefin zum Felde, Leiterin der Stabsstelle Integration. In der VOR-Schule werden bisherige Schulerfahrungen wie Alphabetisierung und andere Kenntnisse aktiv erfasst und später an die aufnehmenden Schulen übermittelt. Zugleich werden in Zusammenarbeit mit dem schulärztlichen Dienst im Gesundheitsamt bei Bedarf Untersuchungen durchgeführt, falls ein Kind seelische oder körperliche Auffälligkeiten zeigt. Dieser ganzheitliche Ansatz unterstützt die geflüchteten Kinder aus der Unterkunft in Ehra-Lessien nachhaltig bei ihrem Start ins Schulleben im Landkreis Gifhorn.


Für ihre Teilnahme an der VOR-Schule werden die Kinder, nach Rücksprache zwischen der zuständigen Grundschule und dem Regionalen Landesamt für Schule und Bildung, für drei Monate von der Schulpflicht befreit und im Projekt intensiv pädagogisch betreut. Die VOR-Schule startete Ende 2021 zunächst als einmonatiges Pilotprojekt für zehn Kinder. Seit Januar 2022 bietet es, inzwischen als Regelangebot, die ausgelagerte „Willkommensklasse“ für die Grundschulkinder aus dieser Gemeinschaftsunterkunft. Aufgrund der hohen Nachfrage, wurde die VOR-Schule im März 2022 um eine zweite Gruppe mit weiteren zehn Plätzen erweitert, sodass nun 20 Kinder den schulvorbereitenden Unterricht wahrnehmen können.


Die Lehrkräfte meistern in der VOR-Schule große Herausforderungen. Sie unterrichten altersgemischt. Zudem haben die Kinder verschiedene Herkunftssprachen und sie kommen mit höchst unterschiedlichen Vorkenntnissen aus zahlreichen Ländern mit je anderen Bildungssystemen. Zusätzlich unterliegt die VOR-Schule dauerhafter Fluktuation, denn jeder Platz, der aufgrund von Wechsel in die Regelschule, Umzug oder Ausreise frei wird, wird sofort neu vergeben.


Dabei stößt die VOR-Schule in der Unterkunft bei den Kindern und ihren Familien auf große Begeisterung. So nahmen die Kinder sowohl in den Oster-, Sommer- wie in den Herbstferien freiwillig regelmäßig am VOR-Schul-Unterricht teil. Selbst Kinder, die nicht mehr zum Projekt gehörten, wollten in den Ferien wieder dabei sein, um weiter zu lernen. Dazu berichteten die Lehrerinnen: „Es sind sogar Schüler gekommen, die schon in umliegende Schulen gehen, denen wir aber zum Teil leider sagen mussten, dass wir für sie keine Plätze mehr haben.“ Das große Interesse der geflüchteten Kinder und ihrer Familien an der VOR-Schule sendet ein engagiertes Integrationssignal. Es belegt für künftige Erfolge die Freude am Lernen sowie am unterstützten Ankommen im deutschen Bildungswesen. „Der über die VOR-Schule ermöglichte Übergang der Kinder in die Grundschulen spricht Wertschätzung aus, die auch den Eltern zugutekommt. Sie merken, dass sie und ihre Kinder mit ihren Themen wahr- und ernstgenommen werden“, verdeutlicht Inga Neubauer, Leiterin der Kreisvolkshochschule Gifhorn.


Damit sich die aufnehmenden Grundschulen umfassend auf ihre neuen Schülerinnen und Schüler individuell vorbereiten können, wird für jedes Kind am Ende des VOR-Schulbesuches ein umfassender Erfassungsbogen erstellt. Dieser bildet die Kenntnisse, Lernerfolge und persönlichen Fähigkeiten des einzelnen Kindes ab. Seit Beginn des Projektes haben bereits 34 Kinder die VOR-Schule nach regulärer Verweildauer erfolgreich beendet. Sie befinden sich nun im üblichen Unterricht an ihrer Grundschule.